Nationalsozialismus in Dessau
Konzentrationslager Roßlau 1933/34 (PDF)
Um die mit Schutzhäftlingen überbelegten Gefängnisse zu entlasten und deren unübersichtliche Inhaftierung im Land zu unterbinden, richtete die Regierung Anhalts im Spätsommer 1933 ein zentrales Konzentrationslager ein. Die Wahl fiel auf das in der Hauptstraße 51 in Roßlau liegende Volkshaus, in dem sich zuvor ein Parteilokal der SPD befunden hatte.
Das KZ Roßlau, welches vom 12. September 1933 bis 31. Juli 1934 existierte, war das einzige frühe staatliche Konzentrationslager in Anhalt. Hier inhaftierten die Nationalsozialisten fast ausschließlich politische Gegner, insbesondere Kommunisten und Sozialdemokraten. Von der Inschutzhaftnahme waren jedoch auch Personen betroffen, die Kritik am NS-Staat geübt hatten, aber keiner oder einer konservativen politischen Gruppierung angehörten.
Im Gegensatz zu vielen anderen Lagern kam in Roßlau kein Insasse zu Tode. Ungeachtet dessen waren Misshandlungen und Schikanen durch Angehörige der Wachmannschaft, die sich aus Mitgliedern der SS-Standarte 59 zusammensetzte, an der Tagesordnung. Insgesamt wurden zwischen 250 und 300 Personen in das KZ eingeliefert.
Die Geschichte dieses Lagers und die Personen – Opfer und Täter – bringt Dr. Alexander Sperk in einem Aufsatz näher, erstmals umfassend skizziert für die „Mitteilungen des Vereins für anhaltische Landeskunde“ 2010.
Die ausführliche Darstellung „Konzentrationslager Roßlau 1933/34“ von Dr. Alexander Sperk gibt es hier als PDF.
Wilhelm Feuerherdt – das erste Todesopfer des NS Terrors in Dessau (PDF)
Wilhelm Feuerherdt (geb. 1895 in Leipzig, gest. 1932 in Dessau) war Ingenieur in den Dessauer Junkerswerken. Politisch engagierte er sich in der Sozialdemokratie und in der Republikschutz-Organisation Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold.
Am 10. Juli 1932 starb Wilhelm Feuerherdt an den Folgen von Stichverletzungen, die ihm in der Nacht zuvor von Dessauer Nationalsozialisten zugefügt worden waren. Eine zunächst eingeleitete Untersuchung seiner Ermordung wurde skandalöser Weise durch die Staatsanwaltschaft abgebrochen.
weiterlesen im PDF (Text von Bernd G. Ulbrich)
Gerhart Seger – einer der ersten politischen Häftlinge in Anhalt (PDF)
Gerhart Heinrich Seger (geb. 1896 in Leipzig – gest. 1967 in New York) war Redakteur und Publizist, bedeutender SPD-Politiker, Generalsekretär der Deutschen Friedensgesellschaft, von 1928 bis 1933 als Journalist und Chefredakteur für das „Volksblatt für Anhalt“ in Dessau im Druckhaus in der Askanischen Straße tätig. Er war einer der ersten Reichstagsabgeordneten, die von den Nationalsozialisten in „Schutzhaft“ genommen wurden. Aus dem Konzentrationslager Oranienburg gelang ihm am 4.12.1933 die Flucht.
In Prag schrieb er seinen Erlebnisbericht „Oranienburg. Erster authentischer Bericht eines aus dem Konzentrationslager Geflüchteten“, der 1934 in Karlsbad mit einem Geleitwort von Heinrich Mann erschien und internationale Aufmerksamkeit erregte. Die Gestapo nahm Segers Frau und seine kleine Tochter in Geiselhaft. Proteste aus dem Ausland führten zur Haftentlassung der Familie und ermöglichten ihr die Ausreise.
weiterlesen im PDF (Text von Bernd G. Ulbrich)
Opfer des Nationalsozialismus (1): Jüdische Mitbürger (PDF)
Die aus rassistischen Motiven verfolgten jüdischen Mitbürger – etwa eine halbe Million im Deutschen Reich 1933 – durchlebten unermessliches Leid: gesellschaftliche Ausgrenzung und Entrechtung, Verfolgung, Enteignung, Ausbeutung durch Zwangsarbeit, Vertreibung, Deportation, Ermordung.
Von den 1933 in Dessau und Roßlau lebenden ca. 400 jüdischen Einwohnern wurde die Mehrzahl ihres Vermögens beraubt und zur Emigration gedrängt. Die Dessauer Synagoge und weitere Zeugnisse jüdisch-deutscher Kultur wurden zerstört. Etwa 140 jüdische Mitbürger – ihre Zahl lässt sich nur annähernd schätzen – starben in den Ghettos und Vernichtungslagern.
Die ausführliche Darstellung „Zur Geschichte der Opfer des Nationalsozialismus in Dessau-Roßlau (1): Jüdische Mitbürger“ von Bend G. Ulbrich als PDF.
„Judenhäuser“ in Dessau-Roßlau (PDF)
Ab Januar 1939 begann in Dessau die Zwangseinweisung von Juden in so genannte „Judenhäuser“ im Stadtgebiet. Als „Judenhäuser“ wurden in der Behördensprache des nationalsozialistischen Deutschen Reichs Wohnhäuser aus (ehemals) jüdischem Eigentum bezeichnet, in die ausschließlich jüdische Mieter und Untermieter zwangsweise eingewiesen wurden.
Wer in diesem Zusammenhang als Jude galt, war im § 5 der Ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. November 1935 geregelt; ausgenommen wurden so genannte privilegierte Mischehen.
Damit wurde zu Lasten der Juden Wohnraum für die so genannte deutschblütige Bevölkerung freigemacht. Der Begriff Judenhaus wurde in die Alltagssprache des Dritten Reichs übernommen. Als Alternative zum nationalsozialistischen Begriff wird heute auch der Begriff Ghettohaus verwendet.
Opfer des Nationalsozialismus (2): Sinti und Roma
Dessau-Roßlau war ein wichtiger saisonbedingter Standort für viele mitteldeutsche Sinti und wenige Roma. Vor ihrer Vertreibung aus Anhalt Anfang 1938 konnten sie sich nur noch gegen überteuerte Mieten am Triftweg und in der Mittelfeldstraße in Roßlau aufhalten. Am 3. Januar 1938 erfolgte der Erlass des Aufenthaltsverbots in Anhalt für in Dessau-Roßlau lebende „Zigeuner“.
Zum Zeitpunkt der Vertreibung lebten dort mindestens 70 Angehörige der Sintifamilien Laubinger, Lauenburger, Stein, Steinbach, Thormann, Hödel und Weiss. Nach ihrer Ausweisung aus Dessau-Roßlau wurden sie in das „Zigeunerlager am Holzweg“ in Magdeburg gezwungen. In diesem kommunalen Internierungslager waren Sinti und Roma seit 1935 unmenschlichen Verhältnissen ausgesetzt.
Am 2. März 1943 erfolgte mit der Deportation nach Auschwitz-Birkenau die Auflösung dieses kommunalen Lagers. Nur wenige der 1938 aus Dessau-Roßlau Ausgewiesenen überlebten den Völkermord.
Die ausführliche Darstellung „Zur Geschichte der Opfer des Nationalsozialismus in Dessau-Roßlau (2): Sinti und Roma“ als PDF folgt in Kürze.
Opfer des Nationalsozialismus (3): „Euthanasie“-Opfer (PDF)
Der kulturgeschichtlich alte Begriff der „Euthanasie“ wurde im Nationalsozialismus zum Euphemismus für die geplante, systematische Tötung von Menschen aus Heil- und Pflegeanstalten oder aus Konzentrationslagern. Ihr Leben galt als „minderwertig“ und als „Ballast für die Volksgemeinschaft“.
Allein im Zeitraum 1940/41 fielen dem „Euthanasie“-Netzwerk des Dritten Reiches mehr als 70.000 Menschen zum Opfer. Unter ihnen befanden sich etwa 80 Frauen, Männer und Kinder aus unserer Stadt, die aus der Heil- und Pflegeanstalt Hoym in eine Gaskammer nach Bernburg transportiert wurden.
Die ausführliche Darstellung „Zur Geschichte der Opfer des Nationalsozialismus in Dessau-Roßlau (2): „Euthanasie“-Opfer“ von Bernd G. Ulbrich als PDF.
Opfer des Nationalsozialismus (4): Homosexuelle (PDF)
Die Verfolgung und Bestrafung sexueller Handlungen zwischen Männern erreichte im Dritten Reich zuvor nicht gekannte Ausmaße. Die rechtliche Handhabe gab vor allem die 1935 erfolgte Verschärfung des § 175 des Reichsstrafgesetzbuches (RStGB). Die Opfer wurden sozial geächtet, strafrechtlich verfolgt, in Zuchthäuser oder Lager gesperrt, zur Kastration genötigt, für die Front zwangsrekrutiert, getötet.
Auch in unserer Stadt wurden Homosexuelle als „Schädlinge“ und „Gefahr für die Volksgemeinschaft“ verfolgt. Das Landgericht Dessau – ein markantes Beispiel – verurteilte im Februar 1938 neun Männer „wegen Unzucht“ zu Gefängnis- und Zuchthausstrafen. Ihre Schicksale sind bis heute wenig erforscht.
Die ausführliche Darstellung „Zur Geschichte der Opfer des Nationalsozialismus in Dessau-Roßlau (3): Homosexuelle“ von Bernd G. Ulbrich als PDF.
Opfer des Nationalsozialismus (5): Zeugen Jehovas (PDF)
Im Dritten Reich wurden etwa 12.700 Zeugen Jehovas in Gefängnissen und Konzentrationslagern inhaftiert, wovon mehr als 2.700 starben. Die Mitglieder dieser Religionsgemeinschaft wurden verfolgt, gequält und getötet, weil sie den Kriegsdienst und auch den Hitlergruß verweigerten und insgesamt, trotz Verbots, auf der Praktizierung ihres Glaubens beharrten.
Zu den Dessauer Opfern gehört Elise Steinmetz, die wegen „Verteilung illegalen Schriftenmaterials hetzerischen politischen Inhalts“ zu Gefängnishaft verurteilt wurde und im KZ Ravensbrück unter ungeklärten Umständen starb.
Die ausführliche Darstellung „Zur Geschichte der Opfer des Nationalsozialismus in Dessau-Roßlau (4): Zeugen Jehovas“ von Bernd G. Ulbrich als PDF.
Opfer des Nationalsozialismus (6): Zwangsarbeiter (PDF)
Die Wirtschaft des Dritten Reiches basierte während des Weltkriegs in hohem Maße auf der Ausbeutung von Zwangsarbeitern. Sie mussten unter menschenunwürdigen Bedingungen vor allem für die stetig forcierte Kriegsproduktion arbeiten. Mehr als 30.000 Arbeitslager gab es allein in Deutschland.
Auch in Dessau-Roßlau wurden Tausende von Zwangsarbeitern beschäftigt: in den Junkers-Werken, in anderen Großbetrieben, im Wohnungs- und Straßenbau. Vor allem für die in der Sowjetunion zwangsrekrutierten „Ostarbeiter“ und die Kriegsgefangenen waren es Jahre des Leids und der Erniedrigung.
Die ausführliche Darstellung „Zur Geschichte der Opfer des Nationalsozialismus in Dessau-Roßlau (5): Zwangsarbeiter“ von Bernd G. Ulbrich als PDF.
Katholiken im Nationalsozialismus in Dessau (PDF)
Jugendliche der Propstei-Gemeinde St. Peter und Paul Dessau (AG-Leitung Stefan Giese-Rehm) trugen Erinnerungen von Verwandten aus dem Gemeindeleben zwischen 1932 und 1944 zusammen. Besonders interessierte die Aussage von Hans Hentrich, der als 8 bis 11-jähriger Ministrant die verstorbenen Fremd- und Zwangsarbeiter auf dem Friedhof 3 mit beerdigte. Er trug nach 1989 die Namen aus dem Totenbuch der Propsteigemeinde zusammen.
Im Zeitraum 9.2.1941 bis 15.5.1945 wurden 128 ausländische Personen als beerdigt aufgeführt: Vor- und Zunamen des Verstorbenen, Geburts-/Heimatort, Geburtsdatum, Wohnung in Dessau, Angaben zu Verwandten, Todeszeitpunkt, Todesursache.
Das Heft (17 Seiten DIN A4) enthält:
- Auszug aus der Liste der Gestorbenen der Pfarre Dessau 1941–1945
- Was im „Dritten Reich“ verboten wurde – aus der Chronik der Gemeinde
- Zur Geschichte der Propstei-Gemeinde seit 1945
- Literaturverzeichnis
Die ausführliche Darstellung „Katholiken im Nationalsozialismus in Dessau“ als PDF
Zyklon B aus Dessau
Die Forschungsgruppe Zyklon B in Dessau erforschte zwischen 1996 und 2008 die Geschichte der Herstellung des Giftes in Dessau und des Missbrauchs zur massenhaften Ermordung von Menschen im Nationalsozialismus.
Durch ihre Initiative entstand der Informations- und Mahnpunkt Zyklon B auf der Brauereibrücke (Askanische Straße), in ummittelbarer Nähe zum ehemaligen Zyklon B-Produktionsstandort.
Umfassende Informationen (externer Link öffnet in neuem Fenster/Tab): zyklon-b.info