1918 (bis November)
Das „Dreiherzogsjahr“ in Anhalt.
In Dessau herrscht – wie im ganzen Deutschen Kaiserreich – infolge der Kriegsereignisse Hunger, wodurch sich auch eine große Kriegsmüdigkeit in der Bevölkerung ausbreitet. Die schwer zu bewältigende Lebensmittelversorgung wird durch die Ausgabe von Lebensmittelkarten zu steuern versucht.
Am Jahresbeginn übernimmt Generalsuperintendent Franz Hoffmann den Vorsitz des Konsistoriums.
- 8. Januar
- Der amerikanische Präsident Woodrow Wilson legt ein 14-Punkte-Programm für eine Friedensordnung nach dem Weltkrieg vor.
- 15. Januar
- Rücktritt des Oberbürgermeisters Dr. Ernst Ebeling. Mit seinem Rücktritt übernimmt er die Verantwortung für Unkorrektheiten bei der Lebensmittelverteilung, die unter der Obhut von Beamten der Stadtverwaltung vorgekommen sind.
- 24. Januar
- Wahl des „Kriegsstadtrates“ und Rechtsanwalts Friedrich (Fritz) Hesse zum Nachfolger Ebelings zum Bürgermeister.
- 16. Februar
- Einführung Hesses in das Amt des Bürgermeisters der Stadt Dessau (ab 1928 Oberbürgermeister).
- 3. März
- Das Deutsche Reich und Russland unterzeichnen den Friedensvertrag von Brest-Litowsk.
- 21. April
- Tod von Herzog Friederich II. von Anhalt, des „Theaterherzogs“. Er regiert nach dem Tod seines Vaters, Herzog Friedrich I., ab 1904. Da seine Ehe mit Marie von Baden kinderlos geblieben war, folgt sein jüngerer Bruder Eduard von Anhalt auf dem anhaltischen Thron, daher „Dreiherzogsjahr“.
- 18. Juli
- Die alliierte Gegenoffensive an der Westfront leitet die Wende im Kriegsgeschehen ein.
- 13. September
- Tod des Herzogs Eduard von Anhalt. Da sein ältester Sohn, Prinz Joachim Ernst, erst 17 Jahre alt ist, führt für den unmündigen Thronfolger sein Onkel Aribert von Anhalt als Prinzregent die Regierung.
- 29. September
- Die Oberste Heeresleitung fordert sofortige Waffenstillstandsverhandlungen und die Einsetzung einer parlamentarischen Regierung.
- 3. Oktober
- Prinz Max von Baden (1867–1929) wird zum Reichskanzler ernannt.
- 18. Oktober
- Explosionsunglück im Granatfüllwerk der BAMAG: 56 Tote, 32 Vermisste, 84 Verletzte. Lediglich 35 der im Werk befindlichen Personen bleiben unversehrt.
- 4. November
- In Kiel übernehmen Arbeiter- und Soldatenräte der aufständischen Matrosen die Macht. Der Aufstand breitet sich auf andere Städte aus.
- 7. November
- Kurt Eisner (1867–1919) ruft in München die Volksrepublik Bayern aus.
- 8. November
- Rücktritt des herzoglichen Staatsministers Dr. Ernst Laue. Prinzregent Aribert setzt – unter Rücksprache mit politischen Vertretern – eine Übergangsregierung ein, die, im Gegensatz zum vorhergehenden System, eine Kollegialbehörde ist. Staatsminister wird Max Gutknecht. Der Regierung gehören erstmals auch Parteienvertreter an, nämlich Heinrich Deist und Wilhelm Vogt für die SPD sowie Dr. Hermann Cohn und Josef Lux für die Liberalen. Weiterhin zählen zwei Verwaltungsbeamte der Regierung dazu: Regierungspräsident Philipp Mühlenbein und Finanzdirektionspräsident Paul Lange.
- 9. November
- Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert (1871–1925) wird Reichskanzler. Philipp Scheidemann (SPD) ruft die „demokratische Republik“ und Karl Liebknecht (Spartakus-Gruppe) die „freie sozialistische Räterepublik“ aus. Die revolutionären Ereignisse in Kiel, Berlin und anderen deutschen Territorien übertragen sich nun auch auf Anhalt und Dessau. Auf dem Hof der Leopoldskaserne findet eine erste Kundgebung des Dessauer Soldatenrates statt. Etwa 500 in Dessau stationierte Soldaten marschieren zum Redaktionsgebäude des „Volksblattes für Anhalt“ in der Askanischen Straße, wo sie die SPD-Funktionäre Heinrich Deist und Richard Paulick auffordern, die Leitung des Aufstandes zu übernehmen. Anschließend halten sie im „Tivoli“, dem Versammlungslokal der SPD, eine große Kundgebung ab. Da die Dessauer Sozialdemokratie von den Ereignissen völlig überrascht war, tritt ihnen hier Bürgermeister Fritz Hesse mit einer Ansprache entgegen. Er übernimmt noch am gleichen Tag den Vorsitz eines gewählten Arbeiter- und Soldatenrates, tritt aber am nächsten Tag zugunsten von Richard Paulick zurück.
- 10. November
- Kaiser Wilhelm II. begibt sich ins Exil in die Niederlande. Im gesamten Deutschen Reich entstehen Arbeiter- und Soldatenräte.
- 11. November
- Deutschland und die Alliierten unterzeichnen im Wald von Compiègne einen Waffenstillstandsvertrag.
- 12. November
- Prinzregent Aribert verzichtet für seinen noch nicht volljährigen Neffen Joachim Ernst auf das Thronrecht. Mit der Thronverzichtserklärung verliert auch die von Prinzregent Aribert von Anhalt eingesetzte Übergangsregierung ihre Legitimation.