Betty Steinbock

  • Geburtsdatum: 20.3.1920 in Dessau
  • letzte Dessauer Wohnadresse: Rabestraße 8 (heute: Rabestraße 5)
  • Todesdatum: ca. 2012 in Tel Aviv/Israel

Betty Steinbock war das mittlere der drei Kinder von Hermann und Minna Steinbock. Eine mit viel Fleiß betriebene Eiergroßhandlung in der Rabestraße ernährte die Familie. Betty besuchte in Dessau die Grundschule und anschließend das Antoinettenlyzeum. Sie war strebsam und klug, doch 1934 musste sie, weil sie Jüdin war, das Lyzeum verlassen. Erinnerung von Betty Steinbock: „In der Schule machte man uns jüdischen Kindern Schwierigkeiten. Mein Lehrer gab mir automatisch, ohne meine Schulaufgaben zu sehen, ein ´Vierchen´ (Englischlehrer Studienrat Dr. Giese). Studienrat Dr. Müller hielt mein Heft mit spitzen Fingern, mit der Begründung, dass er sich ekelt, diesen Dreck in die Hand zu nehmen. Vor Ende des Schuljahres sagte man mir, daß ich das Lyzeum zu verlassen habe. Auch mein Klavierlehrer kam nicht mehr, denn er war inzwischen Parteigenosse geworden.“

Weil Hermann Steinbock aus dem Russischen Reich stammte, wurde die ganze Familie, obwohl Mitte der 1920er Jahre im Deutschen Reich eingebürgert, 1934 wieder ausgebürgert und für staatenlos erklärt. Schon mit Blick auf eine künftige Auswanderung besuchte die Fünfzehnjährige eine jüdische Haushaltsschule im bayerischen Wolfratshausen. Danach arbeitete sie als Haushaltshilfe bei einer jüdischen Familie in Leipzig und im Büro des Kaufhauses Adolf Kohn in Köthen.

Am 9./10. November 1938 musste sie in Dessau den Pogrom, die Zerstörung der großen Synagoge und die Verhaftung ihres Vaters erleben. „Am Morgen des 10. November kamen SS-Leute, um meinen Vater, meinen Onkel und die meisten jüdischen Männer zu verhaften, um sie in das KZ Buchenwald zu schicken. Mein Vater wurde nach ca. 6 Wochen als gebrochener Greis aus dem KZ Buchenwald entlassen.“

Es folgte 1939/40 ein der weiteren Vorbereitung auf Palästina dienendes Hachschara-Schulungslager in Polenzwerder bei Eberswalde. Ausführlicher Bericht nach Aussagen von Betty Steinbock und Recherchen von Ellen Grünwald im pdf „Betty Steinbock in Polenzwerder, Flucht nach Palästina, weiteres Leben“. Bereits nach Ausbruch des Weltkriegs trat Betty Steinbock im August 1940 eine abenteuerliche Reise in Richtung Palästina an: mit dem Zug von Berlin über Wien nach Pressburg (Bratislava), von dort auf völlig überfüllten Lastkähnen und Schiffen über die Donau, das Schwarze Meer und das Mittelmeer bis Haifa.

Sie langte Anfang November im Hafen von Haifa an, doch die Flüchtlinge durften nicht an Land, sondern sollten nach dem Willen der englischen Mandatsmacht nach der Insel Madagaskar weiterverschickt werden. Eine zionistische Organisation versenkte aber das dafür bestimmte Schiff, wobei viele Menschen starben. Betty Steinbock gelangte an Land und kam in ein Internierungslager, das sie im Oktober 1941 verlassen konnte. Sie lebte danach zunächst in einem Kibbuz, dann in Haifa und arbeitete als Krankenschwester.

Nach vielen Jahren traf sie ihren 1934 eingewanderten Bruder Martin wieder. Ihre Eltern und ihre Schwester Charlotte jedoch wurden im Holocaust ermordet. 1957/59 absolvierte Betty Steinbock eine Fachausbildung in der Bundesrepublik; sie wollte die deutsche Staatsbürgerschaft wieder erwerben, konnte aber die dafür erforderlichen Dokumente nicht vorweisen. Zuletzt lebte sie in einem Altenheim in Tel Aviv. Ein reger Briefwechsel verband sie mit Deutschland, darunter über viele Jahre auch mit der Moses Mendelssohn Gesellschaft Dessau, und persönlicher Kontakt mit Ellen Grünwald.

Text von Ellen Grünwald zur Hachschara und Betty Steinbock (PDF)

Lage des Stolpersteins für Betty Steinbock

Stadtplan mit allen Stolpersteinen in Dessau-Roßlau